Seit 1998 verantwortet Brigitte Herschmann im Sportkreis Mannheim Alles, was mit der Sportabzeichenabnahme zu tun hat - ein breites Aufgabenspektrum. Was alles dazugehört, wie sich die Aufgabe im Laufe der Jahre verändert hat und warum sich Brigitte in diesem Themenfeld engagiert, hat unsere Vorsitzende Sabine Hamann bei ihr nachgefragt.
Sportkreis: Seit genau 25 Jahren verantwortest du inzwischen als Obfrau des Sportkreises Mannheim Alles was mit Sportabzeichenabnahmen zu tun hat. Was hat dich damals veranlasst, diese Aufgabe zu übernehmen?
Brigitte Herschmann: Ich bin nicht die „Sportabzeichen-Obfrau“ des Sportkreises, auch wenn es den Anschein erweckt; und zu der Aufgabe kam ich eigentlich wie die Jungfrau zum Kind.
Meine Vorgängerinnen Frau Endlich und Frau Herbst hörten altersbedingt auf und eine Nachfolge wurde gesucht. Eine Sportkameradin war damals beim Sportkreis Mannheim beschäftigt und fragte mich, ob ich Lust hätte, diese Aufgabe zu übernehmen – Sportabzeichenprüfkarten bearbeiten, Urkunden ausdrucken. Ich sei sportlich ja sehr aktiv. Das hörte sich alles ganz interessant an.
Und so kam zum aktiven Sport auch das Bürokratische.
Mein Grundanliegen 1998 war, die Erfassung der Absolventen per EDV in Excel mit einer fortlaufenden ID-Nummer. Damit konnte in den Folgejahren ein Absolvent/eine Absolventin leichter gefunden und die Verleihung kumulativ fortgesetzt werden, ohne dass die Vorjahresurkunde vorgelegt werden musste. Und der große Vorteil war: Sehr vieles ließ bzw. lässt sich über Home-Office abwickeln. Einmal in der Woche im Büro vor Ort, oder auch mal öfter, kurz vor den Sommerferien oder zum Jahresende hin hat sich bewährt. Auch die Auswertungen aller Abnahmen zum Jahresende für die Statistik waren per EDV um ein Vielfaches einfacher als die manuelle Auszählung meiner Vorgängerinnen.
Ich verantworte die Sportabzeichenbearbeitung in ihrer ganzen Bandbreite – von der Abnahme, über die Organisation von Abnahmeterminen bis zur Ehrung unserer langjährigen Sportabzeichenabsolventen. Dieses Jahr konnten wir einen Sportkameraden für sein 70. Sportabzeichen ehren. Er hatte mit 18 Jahren angefangen und seitdem jährlich ununterbrochen das Sportabzeichen erfolgreich abgelegt. Und so etwas macht mich stolz. Durch Beratung und Informationen der Interessenten und PrüferInnen verhelfe ich ein kleines Stück Wegs den Sportkameradinnen und Sportkameraden zu ihren Erfolgen. Vielleicht wird in 70 Jahren wieder ein/e AbsolventIn, die ich beraten habe, für das 70. Sportabzeichen geehrt. Sehr viele sind es deutschlandweit nicht.
Sportkreis: Wie haben sich deine Aufgaben im Laufe der zweieinhalb Jahrzehnte verändert?
Brigitte Herschmann: Das „WAS“ ist das Gleiche – aber nicht das „WIE“. Das EDV-Zeitalter hat vieles gewandelt. Zum 100-jährigen haben die Sportbünde in BW die Datenbank „SPAZ“ entwickeln lassen. Darin werden alle geforderten Leistungen hinterlegt, sodass bei der Eingabe sofort ersichtlich ist, ob es reicht, oder „nachgebessert“ werden muss.
Klar, das Erfassen der einzelnen Leistungen hört sich nach Mehrarbeit an. Aber die PrüferInnen erhalten mit ihrer Prüfberechtigung automatisch eine Zugangsberechtigung für SPAZ, sodass sie ihre Daten selbst eingeben können. Das nutzen auch viele. So bleibt mir hauptsächlich der Urkundendruck und das Zuordnen der Abzeichen.
Sportkreis: Gab es während deiner Zeit als Sportabzeichen-Verantwortliche einmal ein ganz besonders lustiges oder verrücktes Erlebnis oder einen sehr schönen Moment?
Brigitte Herschmann: Verrückt – könnte man sagen. Wir hatten mal die Idee, mit den Mitarbeitenden des Sportkreises und unseren Kollegen des FB Sport und Freizeit das Sportabzeichen am Freitagabend auf dem Gelände der MTG abzunehmen. Plötzlich standen wir im Dunkeln. Nach dem Sportbetrieb auf dem Rasenplatz wurde das (Flut-)Licht ausgeknipst. Mit der Taschenlampe vom Handy absolvierten wir den 50-m-Lauf, alles weitere folgte dann in der Halle inmitten der trainierenden Leichtathleten.
Schöne Momente, wenn die Leistungen erbracht wurden und die Augen strahlen; Stolz, wenn der Sohn und die Enkelkinder das Sportabzeichen erworben haben – Familien-Sportabzeichen.
Sportkreis: Du bist selbst Prüferin und hast im Laufe der Jahre einer beträchtlichen Anzahl an Athleten das Sportabzeichen abgenommen - auch Sportlerinnen und Sportler mit einer Behinderung, wofür du eine extra Qualifizierung erworben hast. Warum ist es dir so wichtig, dass auch Menschen mit Behinderung ein Sportabzeichen erwerben können?
Brigitte Herschmann: Die Bandbreite der Disziplinen für Menschen mit Behinderung ist so vielfältig wie auch die Einschränkungen der Menschen. Es bietet die Möglichkeit, Fähigkeiten und Stärken herauszufinden, ob mit oder ohne Stoppuhr resp. Maßband.
Besonders die Kinder sind so begeisterungsfähig und mit Feuereifer bei der Sache. Gut. Zunächst einmal müssen die Jungs und Mädels schwimmen können, dieser Nachweis ist für Alle Pflicht. Wenn der erbracht werden kann, steht dem Sportabzeichen nichts mehr im Wege.
Vor Corona hatten wir mit zwei Schulen einen Sportabzeichentag für Menschen mit Behinderung. Die Disziplin „Ausdauer“ wurde in der Schule durchgeführt, die übrigen am Sportabzeichentag. Und alle, die dabei waren, erreichten ihre Leistungen für das Sportabzeichen. Strahlend nahmen die Kinder und Jugendlichen ihre Teilnehmer-Urkunde und -Medaille in Empfang. Sicher waren sie auch stolz, als ihnen ihre Sportabzeichen-Urkunde und das Abzeichen übereicht wurde.
Eine Wiederholung dieser Veranstaltung mit weiteren Schulen war geplant, fiel aber Corona zum Opfer bzw. den Schutzmaßnahmen zum Wohle der SchülerInnen.
Sportkreis: Welche Personen haben dich bei der Sportabzeichenabnahme ganz besonders beeindruckt?
Brigitte Herschmann: Eigentlich beeindrucken mich alle Prüferinnen und Prüfer an den Schulen und in den Vereinen.
Sie stehen ab April/Mai bis in den Oktober Woche für Woche auf dem Platz, in der Halle, im Schwimmbad parat; oder auch mal außer der Reihe, wenn für Bewerbungen das Sportabzeichen erforderlich ist.
Und Malaika Mihambo hatten wir einmal im Rahmen eines Sportabzeichentages in Schwetzingen zu Gast mit Tipps für die Kinder in puncto Weitsprung. Sie war sehr umlagert sowohl wegen ihrer Tipps als auch der Autogramme wegen.
Sportkreis: Das Sportabzeichen feiert in diesem Jahr seinen 110. Geburtstag. Zum 100. Geburtstag 2013 hat es einen umwälzenden Reformprozess durchlaufen; der Leistungskatalog wurde dem aktuellen Sportangebot angepasst und das Altersspektrum erweitert. Im Laufe der Zeit sind die Disziplinen und die Anforderungen immer wieder angepasst worden. Wie gefällt dir das „neue Sportabzeichen“?
Brigitte Herschmann: Als das Sportabzeichen 2013 seinen 100. Geburtstag feierte, „schenkte“ es der sportbegeisterten Bevölkerung eine Reihe von Neuerungen. Besonders tiefgreifend die Einführung des 3-Stufen-Systems Bronze – Silber – Gold. Das erfreute die langjährigen Absolventen gar nicht. Hatte man vorher immer Gold, weil es die Verleihungsordnung halt so vorsah, reichten diese Werte vielleicht nur noch für Silber. KEIN GOLD? Die Enttäuschung oder auch Ärger war groß. Dass es aber auch von Vorteil war, setzte sich erst nach und nach im Denken durch. So mancher war froh, nach Krankheit seine Leistung wieder so abrufen zu können, dass es für Bronze reichte, und es somit keine Unterbrechung bei der Kumulation gab.
Die Erweiterung des Altersspektrum (6 - 7 Jahre bis ab 90 Jahre) eröffnet insbesondere Schulen die Abnahmen ab der 1. Klasse auf der einen Seite sowie im Bereich der Senioren eine altersangepasste Splittung der Leistungen bis hin zu der Altersgruppe ab 90 Jahre. Ein Absolvent in dieser Altersgruppe hat im Sportkreis Mannheim sein 49. Sportabzeichen erworben.
Ich persönlich finde es gut, das Sportabzeichen (inzwischen das 28.) auch mal in Gold mit „Silberglanz“ zu erwerben – Ausdauer ist nicht immer so meine Stärke.
Und – wie gesagt – es hat seine Vorteile, wenn es gilt, ein Leistungstief zu überwinden.
Sportkreis: In Zeiten vor Corona wurden im Sportkreis Mannheim jährlich gut 3000 Sportabzeichen abgelegt. In den Pandemiejahren ist die Zahl auf rund 1000 gesunken, im vergangenen Jahr konnten wir wieder eine leichte Steigerung auf ca. 1600 abgelegte Sportabzeichen feststellen, sind aber bei weitem noch nicht wieder bei den Vor-Corona-Zahlen angekommen. Hast du Tipps, um mehr Menschen zu Bewegung und mehr Vereine zum Mitmachen zu bewegen?
Brigitte Herschmann: Die Abnahmen bei den Erwachsenen sind relativ konstant. Die abgelegten Sportabzeichen im Kinder-/ Jugendbereich sind stark eingebrochen. Das Gros der Abnahmen resultiert aus den Teilnahmen der Schulen. Das war vor Corona und hat sich auch im letzten Jahr – sozusagen Jahr 1 nach Corona – wieder bestätigt. Eine Teilnahme ist auch abhängig von der Ausrichtung der Schule – ob sportlich oder musisch – und von den LehrerInnen. Es gibt viele, denen der Sport am Herzen liegt und die mit dem Sportabzeichen die koordinativen Fähigkeiten der SchülerInnen stärken und ausbauen möchten.
Ganz aktuell in puncto Sport die Abschaffung der Bundesjugendspiele, weil sie einen zu starken „Wettkampf-Charakter“ aufweisen. Ein Wettbewerb wird an deren Statt konzipiert. Eine Chance für das Sportabzeichen? Dem Kampf gegen die „imaginäre“ Stoppuhr kann man sich auf Dauer aber nicht entziehen.
Zum Neustart nach Corona haben wir analog zum „Sportabzeichen-Schulwettbewerb“ den „Sportabzeichen-Vereinswettbewerb“ ins Leben gerufen. Wie der Schulwettbewerb ist auch dieser mit einem Preisgeld dotiert. Damit möchten wir den Vereinen einen Anreiz mitgeben, wieder mehr Mitglieder zum Sportabzeichen zu bewegen.
Sportkreis: Wenn jemand noch nie ein Sportabzeichen erworben, nun aber Lust dazu bekommen hat – zu welchem Einstieg rätst du? Schafft man es auch im Wohlfühltempo zum Sportabzeichen? Und wie können unsere Vereine dabei helfen?
Brigitte Herschmann: (Lacht) Wohlfühltempo hört sich gut an. Es kommt darauf auf, auf welchem Level sich das Wohlfühltempo befindet; bei Trainierten wohl etwas höher als bei Gelegenheitssportlern. Ausdauer – Kraft – Schnelligkeit – Koordination und Schwimmen. „Wat den eenen sin Uhl, is den annern sin Nachtigall.“ Jeder hat seine Stärken und Schwächen. Eine gewisse Grundkondition ist schon erforderlich, um das Sportabzeichen zu erwerben. Und manchmal gilt es auch, den inneren Schweinehund zu bezwingen.
Vorbereitung und Training der persönlichen Leistungsanforderungen sind empfehlenswert. Diese kann man Internet unter Deutsches Sportabzeichen herunterladen – auch ohne Registrierung.
Viele unserer Vereine bieten von Mai bis September regelmäßige Abnahmetermine an auch nach tel. Vereinbarung - ohne Gebühr. Diese findet man zusammen mit weiteren Informationen auf den Sportabzeichenseiten der Website des Sportkreises. Die Möglichkeit einer Teilnahme an einem Vorbereitungstraining als Nichtmitglied obliegt den PrüferInnen und den Vereinen. Oder vielleicht bietet auch der Verein in der Nachbarschaft das Sportabzeichen an.
Wie heißt es so schön:
Die Reise beginnt mit dem 1. Schritt.
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