Vom 22. bis 29. Juli 2023 findet nach 1972, 1982 und 2007 zum vierten Mal eine Weltmeisterschaft im Feld-Faustball in Deutschland statt. Erstmals ist der Austragungsort nun Mannheim, wo die Vorbereitungen auf Hochtouren laufen und der Countdown begonnen hat. Der ausrichtende Verein ist der TV 1880 Käfertal e.v., der sich die großen Funktionsbereiche des Events mit dem Faustball Weltverband IFA und der Stadt Mannheim teilt. Die Vorrundenspiele werden im Rhein-Neckar-Stadion ausgetragen, wo üblicherweise der VfR Mannheim zu Hause ist, für die Endrunde ziehen die Spieler in die SAP Arena um, wo erstmals in der Geschichte eine WM-Endrunde auf Naturrasen unter einem Dach ausgetragen wird. Unsere Vorsitzende Sabine Hamann hat sich bei Jörg Trinemeier, dem Vorsitzenden des TV Käfertal nach dem Stand der Dinge erkundigt:
Sportkreis: Ab Samstag spielt Deutschland bei der Heim-WM in Mannheim als Titelverteidiger um den Weltmeistertitel im Faustball. Auch dein Sohn Nick, der gerade zum zweiten Mal zum Mannheimer Sportler des Jahres gekürt wurde, ist wieder in den Kader berufen. Wie groß ist deine Vorfreude?
Jörg Trinemeier: Die Idee, die Faustball Weltmeisterschaft der Männer 2023 nach Mannheim zu holen, ist 2018 bei uns in Käfertal entstanden. Eigentlich seit der erfolgreichen Bewerbung zusammen mit der Stadt Mannheim im Jahr 2019 ist die Vorfreude bei uns im Verein und bei allen Organisationsmitgliedern riesengroß. Und wir sind natürlich stolz, dass Nick unseren Verein bei der WM repräsentieren wird. Jetzt sind es nur noch wenige Tage, bis das große Ereignis beginnt!
Sportkreis: Der TV Käfertal ist mit der Ausrichtung der Weltmeisterschaft beauftragt. Das scheint mir eine sehr große und herausfordernde Aufgabe. Welche Arbeiten waren und sind da konkret von euch zu erledigen und wie schwierig war es, genügend Ehrenamtliche zu finden?
Jörg Trinemeier: Die großen Funktionsbereiche haben der Faustball Weltverband IFA, die Stadt Mannheim und der TV 1880 Käfertal untereinander aufgeteilt. Der TVK ist insbesondere für die Rekrutierung und Betreuung von über 400 ehrenamtlichen Helfern und für die Bewirtung der Zuschauer und Teams zuständig. Daneben wird in Zusammenarbeit mit der Sportkreisjugend Mannheim ein internationales Jugendzeltlager mit über 400 Teilnehmern durchgeführt. Am WM-Montag werden im Rahmen des Schools' Day mehr als 2.700 Schülerinnen und Schüler von Grund- und weiterführenden Schulen aus der gesamten Region im Rhein-Neckar-Stadion zu Besuch sein, sich das Spiel Deutschland gegen Italien anschauen und danach an den Sport-Angeboten aktiv teilnehmen, die in Kooperation mit dem Institut für Sport und Sportwissenschaft der Universität Heidelberg durchgeführt werden.
Etwa 90% der ehrenamtlichen Volunteers kommen vom TV Käfertal selbst und von befreundeten Käfertaler und Mannheimer sowie Faustball-Vereinen der Region. Aber wir konnten auch Freiwillige aus Kolumbien, Kanada, Namibia, Brasilien, Indien und Großbritannien in Kooperation mit der gemeinnützigen Initiative German Volunteers gewinnen. Insgesamt war und ist die Helfer-Rekrutierung und flexible Helfer-Organisation eine große Herausforderung, am Ende aber auch sehr erfolgreich und befriedigend gewesen.
Sportkreis: Was geht dir durch den Kopf, wenn du zur Zeit an der SAP-Arena vorbei fährst?
Jörg Trinemeier: Das erste Mal Naturrasen in der SAP Arena für ein Sport-Großereignis! Und das erste Mal, dass die Finalspiele der Outdoor Faustball-Weltmeisterschaft de facto Indoor in dem großen Mannheimer Sporttempel SAP Arena ausgetragen werden - auf genau diesem Rasen, also in vielfacher Hinsicht eine echte Innovation für den Faustball und für die Arena!
Sportkreis: Der TV Käfertal ist seit 2019 Nationaler Faustball-Stützpunkt der Deutschen Faustball-Liga. Dass ihr diesen Status erhalten habt, war nur aufgrund eurer jahrzehntelangen sehr erfolgreichen und vor allem nachhaltigen Jugendarbeit möglich. Welchen Rat würdest du anderen Vereinen geben, die gerne ähnlich erfolgreich arbeiten möchten?
Jörg Trinemeier: Der TV Käfertal ist an sich ein klassischer Mehrspartenverein mit 950 Mitgliedern in neun Abteilungen, der neben den "klassischen" Sportangeboten der GYMWELT oder des Kinderturnens auch einige besondere Sportarten einschließt. So hat sich der Verein bereits vor 35 Jahren dem Thema Inklusion mit der Integrativen Sport- und Spielgruppe zugewandt, in der Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam Sport treiben. Zuletzt sind Cricket und Parkour als neue Sportarten hinzugekommen.
Faustball ist die Disziplin im Verein, die auf der Grundlage einer breit aufgestellten Jugendarbeit neben dem Breitensport auch den Leistungssport im Frauen- und Männerbereich betreibt. Die Frauen- und Männer-Teams spielen seit Jahren in den Ersten Bundesligen und stellen mehrere Nationalspieler. Gerade sind die TVK Männer das zweite Mal hintereinander Deutscher Vizemeister geworden und haben sich für die europäischen Wettbewerbe qualifiziert.
Unsere Jugendarbeit fußt seit langen Jahren auf einer engen, sehr partnerschaftlichen Kooperation mit den Käfertaler Grundschulen, sei es über FsJ-Stellen in bzw. mit den Schulen oder seien es Faustball-AGs, die wir an den Schulen anbieten. Diese Form der Zusammenarbeit ist sicherlich ein ganz wichtiger Erfolgsfaktor unserer Jugendarbeit, nicht zuletzt, weil sie wohnortnah für die Kinder ist und weil über die Schulen die Eltern sehr viel konkreter und vertrauensvoller angesprochen werden können, dass ihre Kinder im Verein Sport treiben können. Ein weiterer Erfolgsbaustein, das lässt sich jetzt schon erkennen, wird die Zusammenarbeit mit der Ballschule Heidelberg und Professor Klaus Roth sein. Als erster Faustballverein überhaupt haben wir seit anderthalb Jahren dieses sportpädagogisch herausragende Konzept als Basis für unsere Ballsportarten im Verein implementiert und können der starken Nachfrage nach den Ballschul-Übungsstunden kaum nachkommen.
Sportkreis: Kannst du für diejenigen, die Faustball noch nicht so gut kennen, kurz erklären, was diese Sportart ausmacht und vor allem: was sind das denn eigentlich für Menschen, die Faustball spielen?
Jörg Trinemeier: Faustball folgt auf einem 50 x 20 Meter großen Spielfeld, das für zwei Teams mit jeweils fünf Spielern zweigeteilt ist, den Prinzipien der sog. Rückschlagspiele, also Tennis oder Volleyball beispielsweise. Man stelle sich Tennis auf dem großen Rasenfeld vor mit einem Netz, das ca. zwei Meter hoch ist, vor. Der Ball wird über das Netz angeschlagen, darf von der gegnerischen Mannschaft maximal drei Mal gespielt werden, bis der Ball wieder zurückgeschlagen werden muss auf die andere Seite. Fehler sind zweimaliges Aufspringen, Ball im Aus oder Berühren des Netzes, der Leine. Statt dem Tennisschläger wird zum Schlagen der Arm benutzt - von der Faust bis zum Ende des Oberarms. Das ist im Großen und Ganzen schon alles. Es sind also sehr einfache Regeln, die sich auch den Zuschauern schnell erschließen, die Faustball nicht im Detail kennen - schöne Eindrücke vermittelt etwa das Video.
Dadurch, dass jede Mannschaft eine vergleichsweise große Fläche ihres Spielfelds abdecken muss und der Ball vom Gewicht zwischen einem Fuß- und einem Volleyball anzusiedeln ist, entsteht im Faustballspiel eine faszinierende Mischung von nötiger Schnelligkeit, Athletik und Kraft, die mit Spielwitz und Raffinesse gepaart werden. Weil die Regeln so einfach sind und der Ball einmal aufspringen darf, ist Faustball auch eine hervorragende Schulsportart, die den Kindern im Spiel schnell Erfolgserlebnisse bringt. In Deutschland spielen etwa 50.000 Menschen aktiv Faustball, und es ist ein Kennzeichen, in Deutschland und international, dass sich alle Faustballerinnen und Faustballer als eine Familie verstehen. Fairplay ist eine der höchsten Werte, und über den gesamten Globus spannen sich Freundschaften und familiäre Bindungen, also kennzeichnet unsere Sportart ein sehr großer Zusammenhalt aller Spieler und Fans untereinander.
Sportkreis: Du bist erster Vorsitzender des TV Käfertal. Was hatte dich bewogen, dieses Amt zu übernehmen und wie hat es sich im Laufe der Zeit verändert?
Jörg Trinemeier: 2015 stand ein Wechsel in der Vorstandschaft unseres Vereins an, und ich wurde gefragt, ob ich das Amt als Vorsitzender übernehmen könnte. Meine Verbundenheit zum TV Käfertal ist groß, deswegen habe ich mich gerne zur Wahl gestellt. Aber auch das Arbeitsvolumen für den Verein ist für mich und uns alle in unserem erweiterten Vorstand sehr groß. Wenn es in diesem Team neben der Arbeit keinen Spaß machte, wäre ich wohl schon länger kein Vorsitzender mehr. Aber so konnten wir die nachhaltigen Herausforderungen der letzten Jahre insgesamt gut meistern. Da unser Vereinsgelände direkt an die Konversionsfläche Spinelli angrenzt, waren die letzten Jahre durch das Neuquartier Spinelli mit am Ende 4.500 Neubürgern oder auch die baulichen Veränderungen durch die BUGA sehr fordernd. Nach wie vor wird der TVK komplett ehrenamtlich geführt und steht wirtschaftlich auf gesunden Beinen. Aber schon jetzt wird erkennbar, dass bei weiter steigenden Mitgliederzahlen reine Ehrenamtlichkeit nur noch schwer als Managementmodell für unseren Verein herangezogen werden kann. Diese großen Aufgaben werden dann bald meine Nachfolger angehen müssen.
Sportkreis: Gab es in deiner Zeit als Vorsitzender oder nun bei den Vorbereitungsarbeiten auf die WM einmal ein richtig skurriles oder lustiges Erlebnis? Erzählst du uns davon?
Jörg Trinemeier: Jedes Nationalteam der WM hat persönliche Betreuer, die idealerweise aus dem Ursprungsland kommen und in Deutschland leben oder über die Sprache eine enge Beziehung zu dem Land haben. Für Japan hat uns lange eine Betreuerin oder ein Betreuer gefehlt. Gefunden wurde er schließlich durch unseren WM Geschäftsführer Sönke Spille, der im Großraumwagen eines ICEs mit einem Japaner ins Gespräch kam, der sogar in Mannheim lebt und perfekt deutsch spricht, und ihm von der anstehenden WM berichtete. Am Ende der gemeinsamen Reise war Ryohei Kobayashi so begeistert, dass er sich bereit erklärt hat, als Volunteer 10 Tage lang seine Landsleute in Mannheim während des Turniers zu betreuen.
Sportkreis: Zum Abschluss des Interviews ein Blick in die Zukunft: Welche Impulse kann die Faustball-WM der Sportlandschaft in der Region geben?
Jörg Trinemeier: Die Metropolregion Rhein-Neckar ist ein Erfolgsmodell - in der Strukturplanung, der Zusammenarbeit über die Ländergrenzen hinweg, in der Kultur und auch im Sport. Die Faustball WM wird weit über 40.000 Menschen in Mannheim bewegen und zusammenbringen. Aus allen teilnehmenden 16 Nationen kommen Spieler und Fans in die Region. Die WM hat ein riesiges Medieninteresse ausgelöst: Alle Spiele werden im Internet live übertragen. Sportschau, Morgen- und Mittagsmagazin von ARD und ZDF werden täglich berichten. Der SWR überträgt das Finale am Samstag, 29. Juli, wenn sich Deutschland für das Endspiel qualifiziert. Alle Lokalzeitungen und regionalen TV-Sender haben eigens für die WM Sonderberichterstattungen angekündigt. Es wird also insgesamt ein großes Fest werden. Damit können wir die außerordentliche Rolle des Sports in der Metropolregion unterstreichen und gleichzeitig den Faustballsport in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses rücken. Absolutes Highlight der WM ist für mich der Schools' Day mit mehr als 2.700 Schülerinnen und Schülern im Stadion und am Tag drauf Training mit den Nationalspielern der deutschen Mannschaft auf dem Sportgelände beim TV Käfertal. Ich hoffe, dass nicht alle 2.700 Kids so begeistert sind zu kommen, denn dann hätten wir ein kleines Kapazitätsproblem, aber ein paar Hundert werden es bestimmt sein.
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